Dieter Maßberg – Ein Nachruf von Helmut Gierke

Dieter Maßberg: 1939-2022. Ausgezeichnet mit der Medaille <strong>„</strong>Pro meritiis scientiae et litterarum<strong>“</strong> für besondere Verdienste für Wissenschaft, Forschung und Kunst (2010) und dem Bayerischen Verdienstorden (2018)
Dieter Maßberg: 1939-2022. Ausgezeichnet mit der Medaille Pro meritiis scientiae et litterarum für besondere Verdienste für Wissenschaft, Forschung und Kunst (2010) und dem Bayerischen Verdienstorden (2018)
Dieter Maßberg: 1939-2022. Ausgezeichnet mit der Medaille <strong>„</strong>Pro meritiis scientiae et litterarum<strong>“</strong> für besondere Verdienste für Wissenschaft, Forschung und Kunst (2010) und dem Bayerischen Verdienstorden (2018)
Dieter Maßberg: 1939-2022. Ausgezeichnet mit der Medaille Pro meritiis scientiae et litterarum für besondere Verdienste für Wissenschaft, Forschung und Kunst (2010) und dem Bayerischen Verdienstorden (2018)

Der 1939 in Essen geborene Maßberg kam 1963 zum Studium der Betriebswirtschaftslehre nach München. Mit dem Abschluss als Diplomkaufmann arbeitete er von 1969 bis 1972 als EDV-Organisator bei der Siemens AG in München. 1972 wechselte er zum Studentenwerk, wo er als Abteilungsleiter (1972-1984), als Geschäftsführer (1984-2004) und in einer Vielzahl von Ehrenämtern (seit 1984 und über die aktive Berufszeit hinaus bis zu seinem Tod) die soziale Betreuung Studierender in München, in Bayern und bundesweit nachhaltig gestaltet, ausgebaut und geprägt hat.

BaföG

Das Amt für Ausbildungsförderung übernahm Dieter Maßberg 1972 - zu einem Zeitpunkt, als das Gesetz gerade erst verabschiedet war und die Studentenwerke noch mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten: fehlende Vollzugsvorschriften, Neuorganisation der betrieblichen Abläufe und der EDV-Abwicklung, massive Personal-Probleme als Folge der damaligen Vollbeschäftigung.

Trotz dieser Widrigkeiten hatte Maßberg den bundesweit größten BAföG-Bereich in vergleichsweise kurzer Zeit im Griff und war im BayStMUK und bundesweit stets gefragter Fachmann bei Vollzug und Ausgestaltung der Studienförderung.

Betreuung von Kindern studierender Eltern

Von Beginn seiner Tätigkeit beim Studentenwerk an war Dieter Maßberg die Betreuung von Kindern Studierender ein wichtiges Anliegen. So richtete er 1974 in der Studentenstadt München die erste Kinderkrippe in Bayern ein, der weitere Einrichtungen in der Landeshauptstadt und in den anderen im Zuständigkeitsbereich des Studentenwerks München liegenden Hochschulstädten Weihenstephan, Rosenheim und Garching folgten.

Auf Maßbergs Initiative ist die Aufnahme der Kinderbetreuung in den Zuständigkeitskatalog der Studentenwerke anlässlich der BAföG-Novellierung 1988 zurückzuführen.

1991 war er maßgeblich verantwortlich für die Gründung eines Trägervereins, unter dessen Dach die Kinderbetreuungseinrichtungen des Münchner Studentenwerks organisatorisch und finanziell zusammengefasst wurden.

Sozialberatung

Mit seinem Eintritt war Dieter Maßberg neben der Rechtsberatung für Studierende auch für die gesundheitliche Betreuung der Studierenden zuständig: er baute die Psychosoziale Beratung aus, intensivierte den Beratungsbereich und erweiterte ihn 1980 mit einer Präventivberatung zur „Sozialberatung“ des Studentenwerks München.

Studentische Kulturarbeit

Dieter Maßberg engagierte sich auch für die kulturellen Aktivitäten der Studierenden: mit der Gründung eines „Kulturbüros“ (1987) zur Förderung studentischer Kulturarbeit an den Hochschulen und in den Studentenwohnanlagen, mit der Einrichtung eines „Literatur-Cafes“ im Wohnheim Türkenstraße (1988) und mit dem Umbau der nicht mehr bewirtschafteten Mensa des Studentenviertels Oberwiesenfeld zu einem Kultur- und Veranstaltungszentrum „Alte Mensa“ (1998).

Mit organisatorischer und finanzieller Unterstützung des Studentenwerks konnte 1989 das 1. StuStaCulum in Freimann veranstaltet werden - ein danach jährlich stattfindendes dreitägiges Musik- und Theater-Festival mit Nachwuchsförderung, zu dem regelmäßig mehrere zehntausend Menschen strömen.

Studentisches Wohnen

Auf diesem für München seit eh und je besonders schwierigen Bereich war Dieter Maßberg besonders erfolgreich: in seine aktive Zeit fällt der Bau, der Erwerb oder die (befristete) Anmietung von 4.300 Wohnplätzen in München, Garching, Weihenstephan, Rosenheim und Oberschleißheim. Hinzukommen noch Sanierung und Umbau bestehender Gebäude. Dabei ist es ihm gelungen, auch nach dem völlig überraschenden Rückzug des Bundes aus der Bund- Länderfinanzierung Anfang der 1980er Jahre Mittel und Wege für die Fortsetzung des Wohnheimbaus zu finden, der anderswo weitgehend zum Erliegen kam. Wiederholt wurden die Neubauten mit Architekturpreisen ausgezeichnet.

Da aber der Wohnheimbau mit der Zunahme der Studentenzahlen und der Entwicklung am (Münchner) Wohnungsmarkt stets nicht Schritt halten konnte, hat Maßberg viele ergänzende Maßnahmen zur Linderung der Wohnungsprobleme umgesetzt: (befristete) Anmietung vorübergehend leer stehender Gebäude des Bundes, der Stadt sowie privater Haus- und Wohnungseigentümer, Umbau von Bau-Containern zu Wohnmöglichkeiten für Studierende, regelmäßig zu Beginn des Wintersemesters Einrichtung von Notunterkünften in Gemeinschaftsräumen der Studentenstadt Freimann, Beteiligung am Projekt „Wohnraum gegen Hilfe“, über das (ältere) Münchner ein Zimmer an Studierende gegen Mithilfe kostenlos oder verbilligt überlassen (seit 1996).

1997 konzipierte Dieter Maßberg das „Service-Paket“ zur Erleichterung des Wechsels ausländischer Studierender an Münchner Hochschulen. Dieses Paket, das schon im Heimatland erworben werden konnte und dessen wesentlicher Bestandteil die Zusage eines Wohnheimplatzes war, wurde zum Wintersemester 1997/98 erstmals vom Studentenwerk München angeboten und ist danach auch in einer Vielzahl anderer Hochschulstädte eingeführt worden.

Hans-Leipelt-Strasse 6: Dieter-Maßberg-Haus

Wichtiges Projekt Maßbergs im Bereich Wohnen war der Sanierungsbeginn der Studentenstadt Freimann: die mit 2.400 Wohnplätzen größte Studentensiedlung Deutschlands war 1961 bis 1975 in vier Bauabschnitten erbaut worden (die Hans-Scholl-Halle kam erst 1977 hinzu) und die Häuser des ersten Bauabschnitts waren in die Jahre gekommen.

So begann Maßberg im Jahr 2000 mit der Komplettsanierung von Haus 1 (Max-Kade-Haus) , in das die 168 Mieter nach Abschluss der Umbauarbeiten 2001 wieder einziehen konnten. Es folgte Haus 4 (Egon-Wiberg-Haus).

Nachdem die Häuser in der Studentenstadt vielfach die Namen ihrer Förderer und Spender erhielten, würdigten die Bewohner der Studentenstadt Maßbergs Einsatz für Umbau, Sanierung und Instandsetzung durch die Widmung des bis dahin namenlosen Hauses 14 mit seinem Namen.

Internationale Kontakte

Wissenschaft ist international – nach dieser Devise hat Dieter Maßberg die seit 1976 bestehende Partnerschaft mit dem C.R.O.U.S. Lyon ausgebaut und neue Partnerschaften geschlossen: mit Italien (Azienda Florenz, 1990), Portugal (Instituto Politecnico de Braganca, 1994), Kanada (Universität Ottawa,1997), Polen (Wirtschaftshochschule Warschau, 1998), Kroatien (Student Center Zagreb, 2000), USA (Wayne State University Detroit,2000), China (Tonji Universität Shanghai, 2000), Tunesien (Universität Tunis,2002).

Zu den Aktivitäten auf internationaler Ebene zählen auch der Start eines Internationalen Tutorenprogramms und das Trinationale Musik-Theater 2002 in München mit Studierenden aus Lyon, Florenz und der Landeshauptstadt. Auch die Chinesischen Wochen mit dem Austausch von deutschen und chinesischen Mitarbeitern in den Mensen (Leopoldstrasse 2001, Garching 2003) und die Bayerische Woche in der Tonji-Universität in Shanghai (2002) gehören in diesen Bereich.

Intensive Kontakte nach China

Schon frühzeitig begleitete Maßberg die Kontakte des Freistaates Bayern auf Hochschul- und Studentenwerksebene. Die chinesischen Kultusbehörden zeigten damals lebhaftes Interesse an der Einführung von Studentenwerken nach deutschem Muster.

Begonnen hat es mit dem Informations- Besuch einer chinesischen Delegation aus Peking, Shanghai, Xiang und Nanjing in München (1988).

Im Auftrag und in Begleitung des Bayerischen Wissenschaftsministeriums nahm er als Vortragender an Symposien in Peking und mehreren Provinzhauptstädten Chinas teil (1994 und 1995).

Bei einem Gegenbesuch des Vorsitzenden der Erziehungskommission konnte Maßberg die Arbeitsweise der Studentenwerke in München und am Beispiel Münchens präsentieren (1998). Wegen seiner fachlichen Reputation wurde er zu einem Workshop in Shanghai eingeladen, in dem es um die Service-Leistungen der Deutschen Studentenwerke ging (2000).

Belange des Sports

Auch für sportliche Belange machte sich Dieter Maßberg stark: so ermöglichte das Studentenwerk durch Bereitschaft und Mitarbeit in den Jahren 1997 bis 2002, die Leichtathletik EM 2002 nach München zu holen. 1.600 studentische Bewohner räumten für ein Semester ihre Zimmer im Studentenviertel Oberwiesenfeld, damit 30 Jahre nach den Olympischen Spielen 1.400 Athleten im ehemaligen olympischen Dorf der Frauen während der Europameisterschaft auch dort wohnen konnten.

Und: das Studentenwerk schloss Kooperationsverträge mit LMU und TUM (2002) und FHM (2003) sowie dem Olympiastützpunkt Bayern und dem Allgemeinen Hochschul- Sportverband zur Förderung des Spitzensports.

Bayern- und bundesweite Wirkung

Mit Ideenreichtum, Beharrlichkeit und Tatkraft hat Dieter Maßberg die Bedeutung des Studentenwerks als führende Institution in Bayern und in Deutschland gefestigt und verstärkt.

Seine fachliche und menschliche Reputation machte ihn zu einer führenden Persönlichkeit im Studentenwerksbereich.

Durch sein vielfältiges und langjähriges Mitwirken Im Dachverband Deutsches Studentenwerk (DSW) hat er Können und Erfahrungen auch bundesweit eingebracht und die Studentenwerksarbeit in Deutschland geprägt, insbesondere über die Mitarbeit in den DSW-Ausschüssen in Bonn/Berlin, die Lösungsansätze und Verfahrensvorschläge zu aktuellen Problemen und Fragestellungen erarbeiten:

Im Förderungsausschss (1984 bis 1994, 1992 bis 1994 als stellvertretender Vorsitzender), im Ausschuss Studentisches Wohnen (stellvertretender Vorsitzender 1993 bis 1995), in der Arbeitsgruppe Internationales (Vorsitzender 1995 bis 2004) und im Vorstand des DSW (1995 bis 2004).

Dabei zeichnete sich Maßberg dadurch aus, dass es ihm immer wieder gelungen ist, sozialen Anspruch und ökonomische Notwendigkeit in Einklang zu bringen.

Nach der Wiedervereinigung kamen diese Kompetenzen auch den (neu gegründeten) Studentenwerken in den neuen Bundesländern zugute. Darüber hinaus hat er in persönlichen Kontakten und Beratungen zum Aufbau speziell der Studentenwerke Dresden und Leipzig beigetragen.

Auch nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst war Dieter Maßberg bis zu seinem Tod weiter in der sozialen Betreuung Studierender tätig, so als Vorstandsvorsitzender der Darlehenskasse der Bayerischen Studentenwerke, als Geschäftsführer im Verein Studentenstadt Freimann und in der Ingeborg van Calker-Stiftung (Förderung Schweizer Studierender in München).

Die vielbeachtete Realisierung des von Prof. Richard Horden in Kooperation mit Dieter Maßberg entworfenen Wohnwürfels und die Aufstellung in sieben Exemplaren 2005 auf dem Areal der Studentenstadt Freimann gehören zu den sichtbaren Aktivitäten Maßbergs nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben: die Würfel werden heute noch bewohnt, ein Exemplar befindet sich seit 2014 im New Yorker MOMA als beispielhaftes Muster für mobiles, platzsparendes und temporäres Wohnen.

Zu seiner Verabschiedung bezeichnete die Süddeutsche Zeitung den Geschäftsführer als „Anwalt der Studenten“. Und die Redaktion stellte fest: „Maßberg verkörperte denn so etwas wie das soziale Gewissen der Hochschul-Szene“.

Nun ist Dieter Maßberg im Alter von 83 Jahren am 31. Juli 2022 gestorben. Er fehlt.